Aktionen auf dem U-Bahnhof Alexanderplatz 1990-2005

Interview mit Aage Langhelle

Aage Langhelle wurde 1959 in Bergen, Norwegen, geboren.
Er studierte von 1982 bis 1986 am National College of Art and Design (SHKS) in Oslo und von 1990 bis 1994 an der Bergen National Academy of Arts und der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg.
Er nahm am Wettbewerb zur Gestaltung des Bahnsteigs der U2 am Alexanderplatz teil und realisierte 2003/04 auf den vorhandenen 32 Plakatwänden in einer Nonprofit- Zusammenarbeit mit dem Designbüro 52NORD seine „ddr-Logo“-Serie.

Wie bei keinem anderen Künstler zuvor gab es bei diesem Projekt Reaktionen von unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen, angefangen von Aktionen einer Graffitigruppe bis hin zu einer Anfrage im Senat. Dazu kamen über 30 Berichte in internationalen Printmedien, im Internet, Fernsehen und im Radio.

„Die ddr-Logos auf den Werbeflächen sollen an bekannte Warenlogos erinnern, ohne dass sie sich deutlich zu erkennen geben. Sie spielen auf die „Ostalgie “ und die Wiedererkennung von Markenwaren, die für den Westen stehen, an. Dabei wurde eine eindeutige Identifizierung bewusst vermieden. Durch starke Farbkontraste sollten die Logos deutlich in den Vordergrund treten und so den Bahnsteig der U2 markieren“, sagt Aage Langhelle.


Christoph Bannat (C.B.): Wann sind Sie nach Berlin gekommen?

DDR_Logo

DDR Logos

Aage Langhelle (A.L.): 1997 bin ich richtig nach Berlin gekommen. Ich kannte Berlin aber schon aus den 80er Jahren. Als ich dann, Anfang der 90er, an einem Auslandsaustauschprogramm für Hamburg teilnahm, bin ich von dort aus oft auch in Berlin gewesen. .

C.B.: Wie haben Sie von dem U2-Wettbewerb erfahren?

A.L.: Der U2-Wettbewerb war mir schon bekannt, zuerst hatte ich von Freunden etwas darüber gehört und mir dann mehrere U2-Alexanderplatz-Projekte angesehen. Im Zusammenhang mit meiner Idee für die DDR-Logos habe ich dann gedacht, dass dies genau das Richtige wäre. So habe ich am Wettbewerb teilgenommen.

C.B.: Können Sie sich noch daran erinnern, wie ihr erster Eindruck vom U2-Bahnsteig war?

A.L.: Da gibt es natürlich den Roman von Alfred Döblin und Rainer Werner Fassbinders Verfilmung im Zusammenhang mit dem Alexanderplatz, das schwingt natürlich immer mit. Aber ich war ja schon zu DDR-Zeiten dort und die Bilder hatte ich auch im Kopf. Der Alexanderplatz, ober- und unterirdisch, das ist klar, ist immer schon etwas Besonderes gewesen.

C.B.: Können Sie die Möglichkeiten und Herausforderungen des Ortes beschreiben?

A.L.: Bei mir war es ja andersherum: da war zuerst das Projekt, da war zuerst die Idee, etwas mit der Abkürzung DDR und Logos und der Geschichte einer 50-jährigen Trennung zu machen, und dann kam erst der Ort. Es gab also erst die Idee, und dann habe ich eine Projektionsfläche dafür gesucht, und der Alexanderplatz war da ein idealer Ort - einmal abgesehen davon, dass mir das Projekt voll finanziert wurde, und es ein Honorar gab, dass ich mir mit dem Grafiker geteilt habe.

C.B.: Haben Sie zuvor schon Kunst im öffentlichem Raum realisiert?

A.L.: Nicht in der Weise wie am Alexanderplatz. Ich habe sonst öffentliche Projekte gemacht und die Ergebnisse dann in einem „White-Cube-Zusammenhang“ gezeigt. So habe ich alle möglichen gelben Objekte in Berlin fotografiert und sie dann für die Installation „gelb, gelb, gelb“ verwendet und ausgestellt. Da habe ich den öffentlichen Raum sozusagen als Rohmaterial benutzt. In Johannesburg waren es Fotos von der Straße, die ich dann in einigen Ausstellungen zeigte. Aber so etwas wie auf dem U2-Alexanderplatz-Bahnsteig habe ich zum ersten Mal gemacht.

C.B.: Wie sind Sie auf die Idee mit den DDR-Logos gekommen, gab es da so etwas wie eine Initialzündung?

U-Bahnhof

ddr, 2003-2004

A.L.: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich habe ein Skizzenbuch mit vielen Ideen, und nur wenige werden davon realisiert.
Wahrscheinlich, weil ich in Berlin gelebt habe, und wenn man hier lebt, ist es unmöglich, die Stadt und ihre Geschichte zu ignorieren.

C.B.: Können Sie kurz die Herangehensweise beschreiben, wie die Plakate entstanden?

A.L.: Zuerst hatte ich die Idee. Dazu kam aber, dass ich gerade aus Südafrika zurückgekommen war und mehrere Ausstellungen vorbereiten musste. So entschloss ich mich, mit einem Freund zusammenzuarbeiten, der gerade eine Werbeagentur aufgemacht hatte. So haben wir dann angefangen, verschiedene Logos für die Wettbewerbpräsentation zu entwerfen. Ich hatte zunächst schon einige Logos entwickelt und dann haben wir zusammen weiter im Internet recherchiert und alle möglichen Warenlogos unterschiedlichster Medien, aus der Getränkewerbung bis zu denen von Fernsehsendern gefunden, verfremdet und eingesetzt. Zum Schluss hatten wir aus über 100 entwickelten Logos eine Auswahl von 32, soviel wie die Anzahl der Plakatflächen, ausgesucht.

C.B.: Sie waren einer, wenn nicht sogar der Einzige des U2-Wettbewerbs, der es auf das Titelblatt der „Berliner Zeitung“ geschafft hat. Wie waren die weiteren Reaktionen?

U-Bahnhof

ddr, 2003-2004

A.L.: Ich hatte mit dem Projekt dann eine internationale Beachtung, insgesamt über 50 Besprechungen in unterschiedlichsten Zeitschriften und Beiträge in verschiedenen Sendern. Von Design- über Streetart-Magazine, von „NZZ“ und „Die Welt“, dem Musikmagazin „Spex“, bis zu Zeitungen aus u.a. Polen, Russland, Japan, USA sowie Berichte in norwegischen Zeitschriften und Kunstpublikationen. Es kamen Radio- und Fernsehsender aus Deutschland, Schweden und den Niederlanden. Ich war ungefähr noch ein Jahr nach dem Projekt damit beschäftigt, Interviews zu geben. Es waren meist positive Reaktionen, im Sinne von Da nähert sich einer mit Popart-Strategien einem ernsten Thema’. Es gab aber auch einige negative Reaktionen, wie von CBS, mit dem Verdacht, dass ich das nur kommerziell nutzen würde, weil ich einige Logo-T-Shirts ins Netz gestellt habe, und man mir vorwarf, die Auseinandersetzung mit dem Thema Kommerzialisierung nicht kritisch genug hinterfragt zu haben. Die haben einen Dogmatismus gezeigt, wie ich ihn aus den 80er-Jahren kannte. Und dann gab es noch eine Anfrage des F.D.P.- Abgeordneten Krestel im Senat, der den Verdacht äußerte, dass mein Projekt ein Unrechtssystem verherrlichen würde.

CBS_Plakat

CBS Plakat

C.B.: CBS, das ist eine anonyme Graffitigruppe, die mit waghalsigen Spray-Aktionen und ironischen Selbstverweisen hauptsächlich in den Stadtteilen Berlin-Friedrichshain und Berlin-Mitte aktiv ist. Sie bedient sich dadaistischer und situationistischer Kunststrategien. So erklärten sie sich selbst schon mal als „ gestorben“. In den letzten Monaten fielen sie durch massenhaft gesprayte gelbe Fäuste auf, an Stellen, bei denen man sich unweigerlich fragt, wie sie dort hinkommen konnten. Im U2- Tunnel entfernten sie ein Plakat von Aage Langhelle und befestigten eines mit ihrem CBS-Logo an gleicher Stelle. Eine logistische Meisterleistung - musste doch der hinter der Starkstromschiene liegende Plakatrahmen in der Betriebspause nachts unbemerkt ausgetauscht werden. Nach einigen Tagen wurde der affirmative Fake bemerkt. Die Geschäftsstelle der „ Neue Gesellschaft für Bildende Kunst“ (NGBK), welche die Schirmherrschaft der U2-Arbeitsgruppe inne hat, drohte mit einer Anzeige wegen Diebstahls und Sachbeschädigung. Eine Tatsache, die gemäß der Intention der Arbeitsgruppe kontrovers diskutiert wurde. Einige Zeit später tauchte das Plakat mit dem DDR-Logo, hoch oben, an der Fassade des Kaufhofs befestigt, wieder auf, wurde dort entfernt und wieder im U2-Bahnhof platziert.
Die andere öffentlich manifeste Reaktion war eine Anfrage des F.D.P.-Abgeordneten Krestel im Senat, mit der Frage, ob hier nicht ein Unrechtssystem verherrlicht werdeund warum dafür Geld vorhanden sei? Die Anfrage wurde nach unseren Informationen nie beantwortet und verlief im Sande.

Kaufhof

DDR Plakat am Kaufhof, Alexanderplatz

A.L.: Diese Reaktionen waren das Beste, was mir passieren konnte. Das war auch der Sinn des Projekts: eine Auseinandersetzung mit der Frage, was mit der DDR passiert ist, bei der Transformation von einem System in ein anderes bzw. dem Prozess der Wiedervereinigung.

C.B.: Wie sind Sie mit den Reaktionen umgegangen?

A.L.: Ich habe auf meinen beiden Websites beschrieben, was passiert war, und dazu einen Kommentar abgegeben. (www.aage-langhelle.com, www.aage-langhelle.com und www.ddr-u2.de). Mir wurde auch von einem DDR-Shop angeboten, T-Shirts mit den Logos zu machen, die sie als Souvenir anbieten wollten, das aber habe ich abgelehnt. Ich hatte ja einige T-Shirts im Netz, als lustige Sache und Werbung für das Projekt, dahinter steckte aber kein kommerzielles Interesse, wie es mir von CBS vorgeworfen wurde.

C.B: Wie sind Sie mit dem Vorwurf der Kommerzialisierung umgegangen?

A.L: Ich fand diese Angriffe gut, es war das Beste was mir passieren konnte, auch wenn ich den Vorwurf der Kommerzialisierung eher kleinkariert, altbacken und verbiestert finde. Ich denke da an 80er Jahre Polit-Hardliner, die mit dem generellen Totschlag-Argument des Kommerzes alles niedermachen wollen. Ich denke, dass ich eine Art „Adbuster“-Verfahren benutzt habe, das denen gar nicht so fern ist. Ich habe Vorhandenes genommen und in neue Zusammenhänge gebracht und so eine Spannung zwischen Form und Inhalt erzeugt.

C.B.: Und was sagen Sie zum Vorwurf der Verherrlichung eines Unrechtssystems, wie er im Senat gestellt wurde?

A.L.: Ich hab diese Reaktion überhaupt nicht verstanden. Und ich glaube nicht, dass die wirklich mitbekommen haben, was ich eigentlich wollte. Für mich als Künstler ist es gerade wichtig, dass man meine Arbeiten nicht nur plakativ versteht, dass man mich eben nicht nur auf eine Weise festlegen kann, oder die Arbeiten nur auf eine ganz bestimmte Weise zu verstehen sind. Dass meine Arbeiten eben nicht nur politisch korrekt oder unkorrekt sind, das ist mir zu eindimensional. Das sind eben mehr oder weniger moralische Bewertungen, im Sinne einer eigenen Moralskala. Als Künstler finde ich so etwas zu einschränkend.

C.B.: Was meinen Sie, warum riefen ihre Arbeiten so starke Reaktionen hervor?

A.L.: Ich denke, das Projekt hat wieder einmal gezeigt, dass die Wende eine sehr emotionale Sache war und ist. Deshalb wollte ich das Projekt möglichst offen halten, so dass es möglichst viele persönliche Interpretationen geben konnte. Mein Projekt war nicht im Sinne von ’Ich bin für Kapitalismus und gegen die DDR’ oder umgekehrt. Ich wollte, dass man überhaupt über solche politischen Themen öffentlich redet, sie wahr- und ernst nimmt.

C.B.: Wenn man die DDR besser verkauft hätte, würde es sie noch geben? Schwingt das nicht auch bei ihrem Projekt mit?

Kaufhof

DDR Plakat am Kaufhof, Alexanderplatz

A.L.: Nein, das klingt mir zu naiv und oberflächlich. Ich glaube, es gibt viel tiefere Themen als nur Marketing. Ich glaube, gesellschaftliche Probleme gehen tiefer als Marketing. Marketinglösungen gehen vielleicht in anderen Bereichen, doch ich glaube, gesellschaftliche Grundstrukturen kann man nicht so einfach verändern. Ein schönes Beispiel ist die „Du-bist-Deutschland“-Kampagne 2006, („ Eine überparteiliche und unpolitische Mutmacher-Kampagne, die von führenden Medienunternehmen initiiert wurde“ so deren Selbstdarstellung im Internet. Anm. C.B.). Gesellschaftliche Verhältnisse bauen sich von Grund auf, da hilft es nicht, nur die Oberflächen zu gestalten.

C.B.: Ging Ihnen die Übernahme der DDR zu schnell?

A.L.: Ich bin eher skeptisch mit der Übernahme und der kapitalistischen Globalisierung grundsätzlich. Ein Vorteil war sicherlich die soziale Sicherheit in der DDR, ohne das System verherrlichen zu wollen, denn es war ein knallhartes Unterdrückungssystem. Sie hatten viele gute Sachen, auch im Grundgesetz, das Problem war nur, dass sie andere Sachen gemacht haben als das, was geschrieben wurde. Und dass sie die Menschen nicht als Menschen mit Grundrechten wahrgenommen haben.

C.B.: Mussten erst Sie als Ausländer kommen, um uns Deutschen die Wahrheit zu zeigen, wo wir doch dachten, dass das Thema gar nicht mehr aktuell ist?

A.L.: Ich glaube, es ist gut, dass ich als Norweger dieses Projekt gemacht habe. Vielleicht habe ich so die nötige Distanz. Wenn man aus dem Westen oder Osten kommt, bringt man eine tiefe soziale Prägung und lange Geschichte mit, die einem manche Handlungen erschweren. Ich konnte das Thema vielleicht offener sehen.

C.B: Vielleicht auch mit einer Art treffsicheren Naivität?

A.L. Ja, das klingt gut - als Künstler passt das.

Das Interview führte Christoph Bannat

Zurück Zurück


Drucken Seite drucken

© 2006 NGBK